Die Exkursion des W-Seminars Werdenfelser Land nach Garmisch-Partenkirchen vom 14. – 18. Juli 2018.

Geographie als raumbezogene Wissenschaft kann nur erfahrbar und damit umfassend verständlich gemacht werden, wenn man sich in den Raum begibt, der wissenschaftlich untersucht werden soll. Daher machten sich 17 Schülerinnen und Schüler des W-Seminars Werdenfelser Land mit ihrem Kursleiter OStR Andreas Vogel und der weiblichen Begleitlehrkraft StRin Claudia Scheufler auf, um fünf Tage in der Zugspitzregion zu verbringen; genauer gesagt auf dem Kreuzeck im Kreuzeckhaus. Das erste Abenteuer bestand bereits darin, dass die Jugendlichen nicht wie gewohnt in komfortablen Mehrbettzimmern nächtigten, sondern in einem Matratzenlager. Eine zuerst ungewohnte Erfahrung, die aber spätestens ab der zweiten Nacht als Selbstverständlichkeit betrachtet wurde. Ziel der Exkursion war es nicht nur, den Schülerinnen und Schülern das erlebbar zu machen, was zuvor im Unterricht theoretisch thematisiert worden war, sondern die Kursmitglieder sollten auch die Möglichkeit haben, für Ihre W-Seminararbeiten vor Ort zu recherchieren, Interviews zu führen, Fragebögen ausfüllen zu lassen und/ oder einfach nur Auffälligkeiten im Raum zu beobachten, um die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse zum Erstellen der eigenen Arbeit benutzen zu können. Von dieser Möglichkeit machten fast alle Teilnehmer regen Gebrauch, sodass der Grundstein für die W-Seminararbeiten bei den meisten gelegt worden ist. Im Vorfeld war das Seminar in die wichtigsten geographischen Arbeitsmethoden eingeführt worden, die während des Aufenthalts angewandt werden konnten.

Noch am ersten Nachmittag stand ein Gewaltmarsch auf den Osterfeldersattel über die steile Osterfelderpiste auf dem Programm. Zwar mussten nur rund 400 Höhenmeter bewältigt werden, aber ein Weg, der sich gerade nach oben zieht und ohne Serpentinen die Höhe erklimmt, brachte alle zu der Erkenntnis, dass auch ein zum Greifen nahes Ziel mühsam zu erreichen sein kann. Entschädigt wurden alle jedoch von einem grandiosen Rundblick auf die Bergwelt der Zugspitzregion. So einsam man auf dem Weg auch war; am Gipfel ging es munter zu. Kein Wunder, führt doch die Alpsitzseilbahn ebenfalls auf den Osterfelder. Bergeinsamkeit steht auf nur wenigen Metern dem Massentourismus gegenüber. Genau dieser Kontrast kann als ein thematischer Überbau des Seminars bezeichnet werden und sollte die Exkursionsteilnehmer die gesamte Zeit über begleiten. Da Garmisch-Partenkirchen in den letzten Jahren zu einer Touristendestination für reiche Araber geworden ist, sieht man überall dort, wo man leicht hinkommt, tief verschleierte Frauen in luxuriösen Gewändern mit ihren Kindern und Ehemännern. Welchen Einfluss diese Touristengruppe auf den Markt hat, ist ebenfalls Thema einer Seminararbeit. Ein drohendes Gewitter ließ die Exkursionsgruppe unfreiwillig aufbrechen, wollte man doch die letzte Hochalmbahngondel, die noch vor dem Unwetter fuhr, nicht verpassen. So konnte nicht einmal mehr das Alpspix bestiegen werden, eine gläserne Doppelplattform, die sich weit über den Steilabbruch des Hupfleitenjochs schiebt. Derartige neudeutsch Funelemente genannten Objekte findet man immer häufiger im Alpenraum in oft exponierter Lage an. Die Kontroverse, die sich aus dieser Überprägung der Naturlandschaft Alpen ergibt, ist auch der Mittelpunkt einer Seminararbeit. Der Schüler, der sich mit diesem Thema beschäftigt, hatte zu Hause extra einen Fragebogen erstellt, um Touristen darüber zu befragen, welchen Eindruck das Alpspix bei ihnen hinterlassen hat, und ob sie derartigen Projekten eher befürwortend oder eher ablehnend gegenüberstehen. Am Abend kommt die aufgrund der entstandenen Gruppendynamik verschworene Gemeinschaft in den Genuss eines himmlisch anmutenden Abendessens; zuvor aber mussten es die Teilnehmer schaffen, in nur drei Minuten zu duschen. Mehr Zeit lässt einem die Duschmarke nicht, die einen wichtigen Beitrag zum Wassersparen in luftiger Höhe darstellt. Überhaupt lernten die Jugendlichen auch dank Barbara und Stefan, denen die Hüttenleitung obliegt und die sich bereitwillig für Interviews zur Verfügung stellten, was es heißt, in der alpinen Höhenstufe eine Hütte zu betreiben.

Am nächsten Tag stand der Besuch der Zugspitze auf dem Programm. Mit der Zahnradbahn ging es in knapp einer Stunde bis auf das Platt. Dort erwartete alle ein Rummelplatz. Sehr viele Touristen, die sich auf der Zugspitze aufhielten, hatten anscheinend noch nie etwas davon gehört, dass die Temperatur mit der Höhe abnimmt, und waren angesichts einer Schattentemperatur von 5 Grad Celsius vor allem damit beschäftigt, zu frieren. Die Befragungen einiger Touristen brachte Interessantes zu Tage. Alle diejenigen, die sich nur wenige Meter von der Zahnradbahngipfelstation entfernten, fanden den Rummel eher positiv. Diejenigen jedoch, die sich wie das Exkursionsteam selbst zu Fuß auf den Weg machten, die Reste des Höllentalferners zu besteigen, waren wenig angetan von der Verschandlung des Karsthochplateaus durch den Ski- und Sommertourismus. Der nördliche Höllentalferner gab der Gruppe weiterhin einen guten Einblick, wie der Klimawandel der hochalpinen Natur zusetzt. Er besitzt überhaupt kein Nehrgebiet mehr, was bedeutet, dass seine Massenverluste pro Jahr immens sind. So sehr das Platt auch touristisch überformt ist, wird es doch vom Gipfel der Zugspitze noch einmal in den Schatten gestellt. Der gesamte Vorgipfel stellt eine große Plattform dar, die durchgehend bebaut ist. Um die ca. 20 Höhenmeter zum Naturgipfel zurückzulegen, muss man sich außerdem in eine Schlange einreihen. Bizarr mutet die Tatsache an, dass den kleinen Klettersteig sowohl Bergsteiger mit Klettersteigset zurücklegen, als auch Menschen, die hier eigentlich nichts verloren haben, und die wohl kaum ahnen, in welche Gefahr sie sich eigentlich begeben. Anders ist es nicht zu erklären, dass es an dieser Stelle seit Jahren keinen Bergunfall mehr gegeben hat.

Mit der neuen Eibseeseilbahn, die gleich drei Weltrekorde hält (mit 3213 Meter Abstand von der einzigen Stütze bis zur Bergstation ist die zu überwindende Entfernung so groß wie bei keiner anderen Seilbahn. Einzigartig ist auch der Höhenunterschied von 1945 Metern zwischen Tal- und Bergstation. Und keine andere Pendelbahn der Welt hat mit 127 Metern eine derart hohe Stahlbaustütze.), ging es dann hinunter zum Eibsee. Dieser malerische Bergsee, der durch einen heftigen Felssturz vor ca. 3600 Jahren entstanden ist, wimmelt nur so von Touristen. Da es im Tal ca. 27 Grad hatte, nutzten einige Teilnehmer eine Pause, um sich im See etwas abzukühlen. Die Entstehung dieses Idylls hat seine Ursache in einer Zeit, die noch ein bisschen wärmer war als heute. Damals taute der Permafrost auf, was dazu führte, dass die Felswände instabil wurden. Ein Szenario das durch den Klimawandel erneut auftreten könnte.

Am nächsten Tag stand die Ganztageswanderung zur Stuibenalm und zum Stuibenkopf auf dem Programm. Auf der urigen Almhütte erwartete die Gruppe bereits der Bergwachtler Jochen Lingott, der über die Entstehung und die Aufgaben der Bergwacht sowie über aktuelle Veränderungen der Bergrettung referierte. In einem mitreißenden Vortrag, der mit vielen Fallbeispielen interessant aufbereitet war, erfuhren die Teilnehmer z.B., wie sich vor ca. 100 Jahren aus Bergkammeraden eine erste Rettungsgemeinschaft entwickelte. Jochen (über 1000 Meter duzt man sich im Alpenraum immer) zeigte den Jugendlichen aber auch, wie erste Hilfe am Berg aussieht, und lenkte den Blick auf ein Thema, das auch einer Seminararbeit zu Grunde liegt: Die veränderte Risikoeinschätzung mancher Bergbesucher im Vergleich zu früher. So berichtete er von einigen Bergunfällen, die nur passierten, weil die in Bergnot geratenen Personen sich zu sehr auf die moderne Technik und zu wenig auf den gesunden Menschenverstand verlassen hatten. Sehr kritisch betrachtet er auch die Tatsache, dass immer mehr Menschen in Situationen die Bergwacht alarmieren, in denen dies eigentlich nicht nötig ist. Noch vor dem Vortrag stiegen fast alle Teilnehmer auf den Stuibenkopf und einen kleinen Vorgipfel, von wo sie einen atemberaubenden Blick auf die Wettersteinwand und in das Reintal genießen konnten. Das von Ludwig II. in Auftrag gegebene Schachenhaus liegt ebenso immer im Blick der Bergsteiger.

Am letzten ganzen Exkursionstag erfolgte morgens der Abstieg über das Hupfleitenjoch und die Höllentalklamm nach Hammersbach. Der Weg gilt als einer der schönsten Wandersteige in den bayerischen Alpen und beeindruckt die Teilnehmer erneut. Vor allem die Höllentalklamm ist eine Augenweide. Dadurch entstanden, dass unterschiedlich harte Gesteine in Decken übereinandergestapelt wurden und die an dieser Stelle ursprünglich anstehenden weichen Raibler Schichten bereits vollständig erodiert wurden, weshalb sich das Wasser tief in die Muschelkalkschichten eingegraben hat, beindruckt diese Klamm vor allem durch den engen Wasserlauf und die vielen überhängenden Felsen. Am Klammausgang jedoch war wie so oft in diesen Tagen Schluss mit der Natureinsamkeit. Es hatte sich eine lange Schlange an Touristen gebildet, die alle Einlass begehrten. Zum Glück war die Exkursionsgruppe von der anderen Seite gekommen. Am Nachmittag durfte Garmisch unsicher gemacht werden. Nach einer kurzen Einführung in die Entstehung des Marktes hatten alle Jugendlichen die Möglichkeit, Recherche für die Seminararbeiten zu betreiben. Noch vor dem Abendessen beschlossen die Teamleiter, nachdem die Teilnehmer in die Gondel gesetzt worden waren, einen neuen Sporttrend selbst auszutesten: das sog. Trail-Running. Die ca. 5 km lange Strecke zum Kreuzeckhaus überwindet 800 Höhenmeter und ist Bestandteil eines neuen Trail-Wegenetzes in Garmisch-Partenkirchen.

Am letzten Tag wurde als Kontrast zu Garmisch am Morgen noch das verschlafene Partenkirchen, das touristisch wesentlich weniger überprägt ist, durchwandert. Der Markt ist fast 2000 Jahre alt, da er von den Römern um 200 nach Christus als römische Reisestation mit dem Namen partanum erbaut wurde. Zum Abschluss besichtigte die Exkursionsgruppe noch das Olympiastadion mit neuer Skischanze, beschäftigte sich mit den Vor- und Nachteilen von Großevents und dem Missbrauch selbiger durch Autokraten und Diktatoren. Sehr erschöpft, aber aufgrund der neu gewonnen Eindrücke und eines reibungslosen Ablaufs der Fahrt auch sehr glücklich erreichte die Exkursionsgruppe gegen 17.30 Uhr wieder den Straubinger Hauptbahnhof.