„A Clockwork Orange“: Freiheit ist eine Diktatur!
„Wenn ein Mensch nicht wählen kann, hört er auf, Mensch zu sein.“
Anthony Burgess Roman „A Clockwork Orange“ aus dem Jahr 1971 konstruiert seine Horrorshow auf dem Fundament dieses humanistischen Grundgedankens. Am Dienstag, den 23.1.2018 konnten die Schülerinnen und Schüler der Q12 Alex und seine Doogs, eine brutale Jugendgang, auf der Bühne des Theaters am Hagen in einer modernen Inszenierung von Regisseur Markus Bartl für das Landestheater Niederbayern erleben.
Die Story ist rasch erzählt: Prügelnd und vergewaltigend fallen die Doogs über harmlose bürgerliche Existenzen her, aus reiner Langeweile einer Jugend, die mit sich und ihrer Zeit nichts mehr anzufangen weiß. Als mehr aus Versehen bei einem Übergriff eine Katzennärrin zu Tode kommt, lässt die Gang ihren Anführer Alex im Stich. Er kommt ins Gefängnis. Dort wird er Teil eines ebenso brutalen Experiments, bei dem der Ober-Doog so konditioniert wird, dass ihm allein bei dem Gedanken an Gewalt übel wird. Das Experiment gelingt, Alex kann physisch aufgrund heftiger Übelkeitsattacken keine Gewalt mehr ausüben, auch wenn er das mental durchaus noch möchte! Er ist in seinem Handeln nicht mehr frei, er hört auf Mensch zu sein, er wird zur Orange mit Uhrwerk. Als er sich als Nebenwirkung des Experiments auch beim Erklingen seiner geliebten 9. Sinfonie von Beethoven übergeben muss, will Alex nicht mehr leben. Er stürzt sich aus dem Fenster und fällt ins Koma. Als er erwacht, ist die Konditionierung erloschen.
Markus Bartl entscheidet sich für die „britische“ Variante als Ende seiner Bühnenfassung: Alex ist erwachsen geworden, wählt als braver Ehemann ein bürgerliches Leben und rechtfertigt seine Vergangenheit eher blass mit seiner Jugend allein.
Die Inszenierung des Landestheaters Niederbayern setzt vor einer klar strukturierten, horizontal ausgerichteten Kulisse die Schauspieler mit gruseligen Masken und grellen Kostümen in Szene, stellt den Menschen als austauschbares, zeitloses Wesen dar, die Polizei selbst wird Teil der Horror-Show. Exzessiv und voyeuristisch wird die Gewalt als zentrales Element mit Lust in Szene gesetzt, ironisch gebrochen jedoch, wenn die Opfer die roten Blut-Farbbeutel von ihren Peinigern vor jeder Attacke zugeworfen bekommen, schnalzende Plastikschienen zeigen hörbar, wie Knochen gleich serienweise brechen.
Regisseur Markus Bartl aktualisiert das Stück, indem er bei jedem Szenenwechsel einen Schauspieler – natürlich mit Maske – als turkmenischen Diktator Gurbanguly Berdimuhamedow auf die Bühne schickt, der mit einstudierten Gesten seine vom Tonband abgespielten Parolen zum Besten gibt, die in der Message gipfeln: Freiheit ist eine Diktatur! Glück und Gutsein gelingt nur, wenn man sich willenlos seinem Vaterland unterwirft.
Bei den Oberstufenschülern, die im Unterricht bereits auf die Thematik vorbereitet worden waren, löste die Inszenierung dieses modernen Klassikers heftigste Reaktionen und viel Gesprächsbedarf aus. Wie nervig war doch dieser Diktator schon bei seinem dritten Erscheinen! Hat das Stück überhaupt eine vertretbare Botschaft oder geht es nur um die Lust an der Gewalt? Wieso wurden Alex Eltern als Hasen dargestellt? Wieso wurde so manche schöne Metapher aus dem Roman gekürzt, um noch mehr Gewaltszenen Platz zu verschaffen?
Und so sehn wir betroffen, den Vorhang zu und „viele“ Fragen offen…