Q12 im Theater Regensburg: Draußen vor der Tür
Ein Mann kommt nach Deutschland.
Er war lange weg, der Mann. Sehr lange. Vielleicht zu lange. Und er kommt ganz anders wieder, als er wegging. […] Und nachdem er nun tausend Nächte draußen in der Kälte gewartet hat, kommt er endlich doch noch nach Hause.
Beckmann kehrt heim, aus der Hölle des 2. Weltkrieges, und findet zuhause nur eine weitere Hölle, die eines Lebens, das ihn nicht mehr haben will und das er selbst nicht mehr führen kann. Seine Frau hat längst einen anderen Mann, sein Oberst hält ihn für eine Witzfigur, der Theaterdirektor sieht kein Publikum für seine Wahrheit, die Eltern haben sich umgebracht. Allen ist er lästig, mit seiner Gasmaskenbrille auf der Nase, die ihm zwar Sehen ermöglicht, dabei aber sein wahres Gesicht verbirgt. Er soll doch erst wieder ein Mensch werden! Alle Türen bleiben ihm verschlossen, zuallererst diejenige zu sich selbst! Ist ihm doch bewusst, dass er als Mensch gegangen und als Täter wieder gekommen ist, verantwortlich für den Tod von Kameraden. Aber der Oberst will sie nicht zurücknehmen, die Verantwortung! Und so streift er durch die Straßen als Grenzgänger zwischen Leben und Tod.
Antje Thoms inszeniert in der Spielzeit 2023/24 am Theater Regensburg Wolfgang Borcherts Heimkehrerdrama „Draußen vor der Tür“ im Antoniushaus, aktueller denn je, blickt man nach Israel, in die Ukraine, nach Zentralasien, in den Südkaukasus. Krieg und Tod, Verletzungen und humanitäre Krisen destabilisieren weite Teile der Welt. Und so schlurft bei Antje Thoms Gott als Obdachloser über die Bühne, immer wieder stolpert er, weint um seine Kinder weint. Auch die Religion bietet dem Menschen kein Zuhause mehr! Das Bühnenbild, ein Querschnitt durch ein Wohnhaus, zeigt Elemente von Heimeligkeit, zu denen der Heimkehrer keinen Zugang bekommt. Songs und Rhythmuselemente bringen in Versatzstücken den Krieg auf die Bühne und lassen den Zuschauer in die Gefühlswelt des Soldaten eintauchen. Gänsehaut jedoch erzeugt die Inszenierung der Hauptfigur, die als Doppelgestalt auf der Bühne agiert: Als handelnder Mensch einerseits, als sein Innenleben andererseits, das auf dem Vordergrund der Bühne miterleben lässt, welche Hölle in Beckmann tobt: er denkt, träumt, schreit, er tanzt, filppt aus und diskutiert… während er am Ende schlafend und fast leblos vor der ehemaligen Haustür seiner Eltern liegt.
Die Q12 des Ludwigsgymnasiums durfte am ersten Dienstag im November 2023 diese eindrucksvolle und stimmige Inszenierung eines schweren Stoffes im Antoniushaus in Regensburg erleben und kehrte mit tiefsinnigen Fragen nach Hause zurück. Worin besteht der Wert eines einzelnen Lebens? Ist nicht jeder Mensch Opfer und Täter? Welche Kraft bleibt am Ende der Hoffnung? Was macht der Krieg aus dem Individuum – damals und heute?