Im Rahmen des 21. Figurentheaterfestivals traf sich der Deutschkurs der Q11 von Veronika Villing am 14. März 2017 zu einem gemeinsamen Besuch der Glasmenagerie im Theater am Hagen in Straubing. Es handelt sich dabei um ein Sozialdrama von Tennesse Williams aus dem Jahr 1944, das in St. Louis, im mittleren Westen der USA Ende der 30er Jahre spielt, und vom Theater Waidspaicher aus Erfurt in einer Deutschfassung von Jörg van Dyk umgesetzt wurde.
Das Porträt eines Mädchens aus Glas – mit diesem Untertitel wird das Stück im Programmheft des Festivals beschrieben und damit Laura Wingfield charakterisiert, die leicht körperbehinderte Hauptfigur des Stückes, die ihr Schicksal nur meistern kann, indem sie in die Traumwelt ihrer Sammlung aus Glasfiguren entflieht. Mutter Amanda ist dem schüchternen Mädchen keine Hilfe – sie entflieht selbst der tristen Realität ihres ärmlichen Daseins, indem sie ihrer verlorenen Schönheit und gleich siebzehn Verehrern nachtrauert. Lauras Bruder Tom, der nach der Flucht des Vaters als Lagerarbeiter die Familie ernähern muss, lebt in der Welt des Kinofilms.
Zum Hoffnungsträger des Dramas wird Toms Kollege Jim O’Connor als ersehnter Verehrer für Laura. Und nach einigen zarten Momenten inniger Nähe zwischen beiden erliegt der Zuschauer tatsächlich kurz der Illusion, dass es für das introvertierte Mädchen eine Zukunft geben könnte. Doch die Illusion zerbricht gemeinsam mit dem gläsernen Einhorn Lauras – Jim ist verlobt, das Stück endet in der Katastrophe.
In der Inszenierung des Theaters Waidspeicher hinterlässt vor allem die Umsetzung als Figurentheater Eindruck. Sofort fällt auf, dass das Stück als Spiel im Spiel anhand einer kleinen Puppenbühne in der großen Parallelbühne aufgeführt wird. Verstärkt wird dieses Doppelspiel durch vier Marionetten, die ihren Spielern vom Gesicht bis zur Kleidung bis aufs Detail gleichen. Auf mehreren Ebenen wird die Illusion zusätzlich immer wieder durchbrochen, wenn beispielsweise die Figurenspieler zugleich als Schauspieler agieren, vor die Puppenbühne treten und etwa der Schauspieler Tim mit der Marionette seiner Mutter spricht. Durch den Blick von außen erhält er eine neue Perspektive auf sein tristes Leben, erkennt umso deutlicher das soziale und familiäre Elend, das er erlebt.
Auch der Tanz zwischen Laura und Jim, ein Höhepunkt des Stückes, wird als Tanz der echten Schauspieler, die ihre kleinen Alter egos aus Holz liebevoll in den Händen halten, inszeniert. Die Seitenteile der Puppenbühne werden zudem als Leinwände genutzt und kommentieren die Szenen durch die Einblendung von Bildern und Sprüchen. Als Verbindungselement zwischen den verschiedenen Bereichen dient eine Feuertreppe, auf der vor allem Tim zwischen der Welt des Figurenspiels, des Erzählers und der realen Bühne hin- und herwechselt. Faszinierend ist zudem, dass Lauras geliebte Glastiere in „Lebensgröße“ über die Puppenbühne schweben, bis sie selbst zur Glasfigur und damit zum festen Bestandteil ihrer Traumweelt wird, in der sie ohne Behinderung, aber dennoch zerbrechlich wie Glas leben kann.
Die Reaktionen der Schüler auf diese für sie noch völlig unbekannte Form des Theaterspiels waren breit gestreut. Empfanden die einen die Marionetten mit ihren starren Holzgesichtern als eher befremdlich, so tauchten andere so sehr in die Welt der in Mimik und Gestik intensiv zum Leben erweckten Figuren ein, dass sie es kaum glauben konnten, als nach 90 Minuten das Stück ganz plötzlich zu Ende war!